Sehr geehrter Herr Dr. Diess,

Verbote sind vermutlich immer nur dann gut, wenn sie andere betreffen und man dazu noch hoffen kann, diese für das eigene Image nutzen zu können. Als jemand, der sich sonst gerne gegen Regulierung ausspricht, hat uns daher Ihr Schritt, die Currywust verbannen zu wollen, doch sehr überrascht. Warum sollen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Essen nicht mehr selbst wählen dürfen? Sieben Millionen verkaufte Currywürste sprechen aus unserer Sicht eine klare Sprache.

Wir haben bisher auch nicht vernommen, dass sich Menschen, die freiwillig eine Mischkost mit Fleisch bevorzugen, für ein Verbot vegetarischer oder veganer Gerichte in Kantinen ausgesprochen hätten. Auch wir tun das nicht. Beides hat seine Freunde und beides hat seine Berechtigung. Vegetarier und Veganer machen in Deutschland gerade einmal zwölf Prozent der Bevölkerung aus. Da verwundert es sehr, wenn eine so deutliche Minderheit der übergroßen Mehrheit ihr Verhalten oder ihre Ernährung vorschreiben will.

Es bleibt die Frage: Was motiviert Sie zu diesem Schritt? Das Wohl Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann es nicht sein, denn diese essen ja gerne Currywurst. Setzen Sie auf einen Trend, den Sie erkannt zu haben glauben? Oder setzen Sie vielleicht einfach auf einen Imagegewinn in der öffentlichen Darstellung? Als Ingenieur ist Ihnen zudem sicherlich bewusst, welch eher kleinen Anteil die Landwirtschaft inkl. der Tierhaltung am Ausstoß klimaschädlicher Gase hat. In Deutschland waren es 2019 laut Umweltbundesamt für die gesamte Landwirtschaft gerade einmal 7,6 Prozent. Und diese entstammen dabei noch aus einer Kreislaufwirtschaft, da der freigesetzte Kohlenstoff vorher von Futterpflanzen gebunden wurde.

Der Verkehr dagegen hatte 2019 in Deutschland einen Anteil von über 20 Prozent am Ausstoß klimaschädigender Gase. Und diese stammen bis heute zum größten Teil aus fossilen Quellen. Ihre Produkte tragen maßgeblich dazu bei, bisher im Boden gebundenen Kohlenstoff in die Atmosphäre zu befördern. Und auch die Elektroautos sind wegen des aktuellen Energiemixes und der Produktion ebenfalls nicht klimaneutral. Die Landwirtschaft hat zudem zwischen 1990 und 2019 ihre Emissionen um knapp 20 Prozent deutlich gesenkt. Im Verkehrssektor sind sie dagegen sogar gestiegen. Für das Klima wäre es daher deutlich hilfreicher gewesen, wenn Sie z.B. einen autofreien Tag gefordert hätten. Aber das wäre aus Ihrer Sicht verständlicherweise sicherlich eine unangemessene Bevormundung.

Ebenso wie Sie mit der Förderung der Elektromobilität arbeiten wir an konkreten Lösungen, den Ausstoß von Treibhausgasen weiter zu verringern. Innovation sollte die gemeinsame Basis zur Erreichung der Pariser Klimaziele sein. Denn der übergroße Teil unserer Bevölkerung wird auch in Zukunft gerne Currywurst essen und Auto fahren.

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Reiter